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04.01.2011
Bundesverfassungsgericht stärkt die Meinungsfreiheit
Das Bundesverfassungsgericht bestätigte mit Beschluss vom 8.12.2010 seine bisherige Rechtsprechung, dass die Meinungsfreiheit grundsätzlich - in den Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG - auch die Verbreitung rechtsextremistischer Meinungen schützt.(1 BvR 1106/08)

Mit Beschluss vom 8. Januar 2008 hatte das Oberlandesgericht dem Beschwerdeführer verboten, für die Dauer von fünf Jahren „rechtsextremistisches oder nationalsozialistisches Gedankengut publizistisch zu verbreiten“. Angesichts der früheren Verurteilungen und des Umstandes, dass er während des Strafvollzugs Beiträge für rechtsextremistische Zeitschriften verfasst habe, lasse seine unverändert fortbestehende Gesinnung besorgen, dass er künftig mit Publikationen gegen §§ 130, 86a StGB verstoßen werde.

Das BVerfG hob diese Entscheidung auf. Das Publikationsverbot schränke den Beschwerdeführer unverhältnismäßig in seiner Meinungsfreiheit ein.

Der angegriffenen Entscheidung des OLG sei nicht zu entnehmen, ob von dem Verbot der Verbreitung „nationalsozialistischen Gedankenguts“ jedes Gedankengut, das unter dem nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürregime propagiert wurde, erfasst sein soll oder nur bestimmte Ausschnitte der nationalsozialistischen Ideologie, und, falls letzteres der Fall sein sollte, nach welchen Kriterien diese Inhalte bestimmt werden können. Erst Recht fehle es dem Verbot der Verbreitung „rechtsextremistischen Gedankenguts“ an bestimmbaren Konturen. Denn die Einstufung einer Position als „rechtsextremistisch“ sei eine Frage des politischen Meinungskampfes und der gesellschaftswissenschaftlichen Auseinandersetzung. Sie stehe in unausweichlicher Wechselwirkung mit sich wandelnden politischen und gesellschaftlichen Kontexten und subjektiven Einschätzungen, die Abgrenzungen mit strafrechtlicher Bedeutung (vgl. § 145a StGB) nicht hinreichend erlauben.

Zudem fehle es der angegriffenen Entscheidung an der verfassungsrechtlich gebotenen Abwägung. Das Publikationsverbot sei aber auch mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht vereinbar. Bei staatlichen Eingriffen zur Gefahrenabwehr, die an den Inhalt einer Äußerung anknüpfen, bedürfe es einer sorgfältigen Abwägung... Dabei sei ein solcher Eingriff von dem Betroffenen umso eher hinzunehmen, als er sich etwa durch eine Begrenzung auf bestimmte Situationen, auf die Form und die äußeren Umstände der Meinungsäußerung beschränke. Je mehr er hingegen im Ergebnis eine inhaltliche Unterdrückung bestimmter Meinungen selbst zur Folge hat, desto höher seien die Anforderungen an den Grad der drohenden Rechtsgutgefährdung

Indem dem Beschwerdeführer für fünf Jahre uneingeschränkt jede publizistische Verbreitung „rechtsextremistischen oder nationalsozialistischen Gedankenguts“ verboten werde, werde ihm abhängig von seinen Ansichten in weitem Umfang unmöglich gemacht, mit seinen politischen Überzeugungen am öffentlichen Willensbildungsprozess teilzunehmen. Dies komme jedoch einer Aberkennung der Meinungsfreiheit selbst nahe. Auch das staatliche Interesse der Resozialisierung des Beschwerdeführers rechtfertige ein so weitgehendes Verbot nicht.

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